Es vergeht momentan kaum ein Tag an dem wir nicht mit Schreckensszenarien zur Energieversorgung in den Medien konfrontiert werden. Kay und Karsten, die sich von Berufs wegen mit Energiefragen praktisch tagtäglich beschäftigen, haben sich die Angelegenheit mal etwas genauer angeschaut und kommen zur folgenden Einschätzung:
Aktuelle Situation der Bürger und Betriebe
Jeder bekommt es mit, alles dreht sich nur noch um die extrem gestiegenen Energiepreise und die Preisexplosionen. Viele Mitbürger wissen nicht mehr wie sie die in letzter Zeit zugestellten Abschlagsforderungen bezahlen sollen. Viele Betriebe blicken ungewiss und sorgenvoll in die Zukunft. Erste Firmen müssen auf Grund der aktuellen Situation schließen.
Besonders Rentner, einkommensschwache Familien und auch sehr viele Handwerker und Betriebe, die die gestiegenen Kosten nicht einfach umlegen können, wissen nicht mehr, woher das Geld für die Forderungen kommen soll und bekommen im wahrsten Sinne „Existenzängste“.
Die Energiekrise
Ist die Energiewende, der gestiegene Energiebedarf, der Krieg in der Ukraine, oder ist das Handeln unserer Politiker ursächlich für die aktuelle Situation?
Vermutlich wird man sehr viele Faktoren finden, die zur jetzigen Situation geführt haben.
Nachdem es zum Supergau in Fukushima kam, beschloss unsere damalige Regierung den forcierten Ausstieg aus der nuklearen Energiegewinnung, um ein ähnliches Szenario auf unserem Gebiet zu vermeiden.
Sehr viele Bürger unseres Landes konnten sich damit auch anfreunden, auch wenn die Preise für die Energie kontinuierlich stiegen. Die Gewinnung des Stroms aus erneuerbaren Quellen und deren Ausbau wurden vorangetrieben, hauptsächlich durch Sonne und Wind. Die Gewinnung von Energie aus der Verstromung fossiler Brennstoffe wurde aus Umwelt- und Klimaschutzgründen stetig zurückgefahren, der Kohleausstieg wurde beschlossen. Erdgas als Ersatz für Braun- und Steinkohle wurde schrittweise als Brückentechnologie eingeführt, um Spitzen- und Grundlasten zu beherrschen, wenn die erneuerbaren Erzeuger witterungsbedingt nicht zur Verfügung stehen. Auch unsere europäischen Nachbarn und ihre Netze müssen mithelfen, die stark schwankende Versorgung durch die erneuerbaren Energien auszugleichen.
Bereits im letzten Jahr trieb die gestiegene Nachfrage nach Gas die Preise hoch. Bis vor Kurzem hat Deutschland noch etwa die Hälfte des Erdgases aus Russland bezogen. Wie sich die Liefersituation entwickelt hat, bis zum vollständigen Stopp der Nordstream 1 – Pipeline, konnte jeder in den Nachrichten verfolgen, was einen weiteren Preisschub verursachte. Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und die darauf vom Westen verhängten Sanktionen verschärfen die Energiesituation zusehends und treiben auf Grund des Mangels an Gas die Preise in bisher nie dagewesene Höhen. Der Strompreis folgt der Erhöhung mit entsprechender Verzögerung, obwohl aktuell bei Neuverträgen (Privatverbraucher) meist über 70 Cent je kWh aufgerufen werden.

Aktuelle Situation der Stromerzeugung
Aktuell wird die Grundlast hauptsächlich durch Braun- und Steinkohle, sowie zu einem geringen Teil durch Kernenergie zur Verfügung gestellt. Die erneuerbaren Energien liefern momentan gerade tagsüber einen beträchtlichen Teil der benötigten Energiemengen, aber eben nicht mit Garantie, der Begriff „Zappel- oder Flatterstrom“ ging als Synonym durch die Medien und sagt eigentlich alles aus. Pumpspeicherwerke fangen hauptsächlich die Spitzenlastzeiten ab. Auch im letzten Jahr, also vor der genannte Krise, mussten schon Großverbraucher vom Netz genommen werden, was allerdings nicht weiter publik gemacht wurde, aber die ersten Anzeichen für eine Schieflage des Sytems darstellen. Aktuell scheint im Großen und Ganzen die Versorgungslage noch beherrschbar zu sein, abgesehen von den Preisen für die End- und Großkunden.

Aussichten
Kritischer wird sich vermutlich die Lage zum Jahresende hin gestalten, wenn jahreszeitlich bedingt wesentlich mehr Strom und Gas benötigt werden und die letzten drei im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke laut Plan (Atomgesetz) vom Netz gehen sollen, obwohl sie zirka 6% des Stromes liefern. Grundsätzlich kann diese Menge durch Gaskraftwerke bereitgestellt werden, wenn ausreichend Gas zur Verfügung steht, die Frage ist, zu welchem Preis? Auf Wunsch des Wirtschaftsministers sollen zwei bis zum Frühjahr im Standby gehalten werden, um ggf. kurzfristig als Reserve wieder ans Netz genommen werden zu können. Die Kraftwerksbetreiber bezweifeln die Machbarkeit und weisen auf die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Betriebs hin. Erfahrungen damit gibt es bislang nicht. Weiterhin dürfte sich in der kalten Jahreszeit die Lage am Gasmarkt unter den jetzigen Umständen verschärfen. Eine im Auftrag des Wirtschaftsministeriums durch die Netzbetreiber durchgeführte Sonderanalyse(n) (Stresstest) deckt erhebliche Mängel auf. Es werden verschiedene Szenarien angenommen und die Auswirkungen dargelegt. Entsprechende Empfehlungen werden auch gegeben.
Nachzulesen unter:
Sonderanalysen Winter 2022/2023 auf netztransparenz.de
Sehr zu empfehlen ist auch die Seite der Bundesnetzagentur, auf der man sich sehr gut einen Überblick rund um den Strom verschaffen kann:
Was tun?
Als ersten Schritt sollte unsere Regierung in diesem Fall auf die vielen Sachverständigen hören, die einen Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke, Wiederinbetriebnahme sämtlicher zur Verfügung stehender Kraftwerke und den Ausbau der Übertragungskapazitäten fordern. Warum sie es nicht machen, sollte jeder selbst hinterfragen. Um die Preise wieder auf ein vertretbares Niveau zu bringen, sollten mit Russland umgehend Verhandlungen aufgenommen und die Rohstofflieferungen gesichert werden, unabhängig von der politischen Situation, denn Sanktionen sollten uns eigentlich weniger Schaden zufügen, als der russischen Wirtschaft, so jedenfalls waren sinngemäß die Worte unseres Kanzler im März bei einer Bundestagsdebatte. Gefühlt für unsere meisten Mitbürger stellt sich die Gegenwart anders dar, was auch dahintersteckt, es ist vermutlich nicht nur der Krieg in der Ukraine, denn wie eingangs erwähnt stiegen die Preise bereits im letzten Jahr sehr stark an.

Prinzipiell konnten sich viele Mitbürger, wenn man sich mit ihnen unterhielt, mit der sogenannten Energiewende anfreunden. Niemand wollte die Gefahr eines Supergaus oder eines Endlagers in seiner näheren Umgebung haben. Aber bezahlbar und sicher sollte die Versorgung bleiben. Beides ist nicht eingetreten. Unseren deutschen Sonderweg müssen vermutlich im Nachgang und auch in der Zukunft unsere Bürger teuer bezahlen. Wie sich unsere Versorgungssicherheit darstellt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Technische Experten statt Parteiideologen sollten für den weiteren Weg das Sagen haben, damit vom einstigen Exportweltmeister und vom hart erarbeiteten Wohlstand noch etwas übrig bleibt und wir nicht um Jahrzehnte zurückgeworfen werden.
